Tjorve Mohr und Felix Niebergall spielen in der U23-Fußballmannschaft von Holstein Kiel in der Regionalliga Nord. Beide studieren Sport an der CAU. Wir haben mit den beiden über den Spagat zwischen angehender Kicker-Karriere und Vollzeit-Studium gesprochen.
Es ist ausnahmsweise mild an diesem Sommertag, bis zu 22 Grad Celsius an einem Mittwochnachmittag auf dem Gelände des Nachwuchsleistungszentrums von Holstein Kiel. Für Abwehrspieler und Kapitän der Nachwuchs-Störche Tjorve Mohr (22) und Offensivkraft Felix Niebergall (21) beginnt das Training um 18 Uhr, und zwar täglich. Mittwochs steht eine zusätzliche Einheit am Vormittag an. Viel Schweiß für wenig Lohn – vom Fußballspielen leben können die beiden (noch) nicht. Eine berufliche Zukunft als Backup schaffen hingegen schon, falls es mit dem Profi-Geschäft nicht klappen sollte.
Die beiden Talente gehen bei den Störchen in die siebte Spielzeit. Sie wurden bereits als junge Teenager von den Scouts der KSV gesichtet. Spät, im Gegensatz zu anderen Vereinen. Manche Profiklubs „scouten“ siebenjährige Kinder mit der Aussicht auf eine sportliche Ausbildung der jeweiligen Vereine und der Zukunft als Fußballprofi. Auch Felix und Tjorve durchliefen sämtliche Jugendmannschaften. Genauso wie vermutlich jeder Nachwuchsfußballer, hegen die beiden seitdem sie gegen den Ball treten den Traum von Profi-Dasein. „Ich glaube, dass es tatsächlich mehr Spieler gibt als man denkt, die wirklich fest daran glauben, Profifußballer zu werden. Gerade wenn man in der höchst möglichen Liga der Jugendmannschaften spielt und gegen andere Spieler antritt, die bereits im Kater der Profis waren“, sagt Tjorve.
Nach Angaben einer ARD-Recherche schaffen es rund 3,5 Prozent der unter 19-jährigen Amateurfußballer in den Kader der Profimannschaften der fünf Topligen in Deutschland, England, Spanien, Italien und Frankreich. Noch 2,6 Prozent beträgt der Anteil, der mindestens auf zehn Einsätze kommt. Um ein Vielfaches größer hingegen ist der Anteil derer, die den Traum bis zum Erwachsenenalter wahren.
Plan B
Nach dem Abitur wandten sich Felix und Tjorve an die Verantwortlichen des Vereins, um über Möglichkeiten und die Zukunft zu sprechen. „Der Verein ist gewillt, dass die Spieler etwas nebenbei machen, berät die Spieler und sucht gemeinsam nach Perspektiven“, sagt Tjorve. Holstein Kiel verfolgt hier ein ähnliches Prinzip wie U23-Ligakonkurrent VFL Wolfsburg II mit dem Hauptsponsor Volkswagen. Der Verein bietet seinen Spielern Ausbildungsplätze bei seinen Kooperationspartnern an. So sind zum Beispiel einige Jungstörche bei Famila beschäftigt. Für Felix ergab sich eine andere Möglichkeit. „Ich bin Sportler durch und durch. Mir war bewusst, dass ich neben dem Fußball etwas machen muss und wollte zweigleisig fahren“. Das Sportstudium war für den Offensivmann die plausibelste Perspektive. Tatsächlich denken nicht alle vernünftig und rational. Andere würden voll auf die Karte Fußball setzen, scheitern an der großen Konkurrenz und stehen erst einmal ohne abgeschlossene Berufsausbildung dar.
Profiluft schnuppern
Die Verlockung ist groß, das beruflich absichernde Standbein schleifen zu lassen. Gerade wenn die Trainingsmethoden und Zeiten denen der Profis ähnelt. Immer wieder erhalten Nachwuchsspieler die Möglichkeit, an einem der Profi-Trainingslager teilzunehmen. Tjorve durfte sich bereits drei Mal gemeinsam mit den Profis auf kommende Spielzeiten vorbereiten. Im vergangenen Jahr war der 22-jährige Abwehrspieler zuletzt eingeladen worden. Seine Fehlzeiten an der Uni hatte Tjorve jedoch überschritten, sodass er entscheiden musste: Vorlesung oder Trainingslager. Das Risiko, wichtigen Stoff zu verpassen und eine Prüfung oder gar ein Semester zu wiederholen, war ihm bewusst. „Die Entscheidung ist mir sehr schwer gefallen, aber ich wollte die Chance nicht verstreichen lassen, positiv bei den Profis aufzufallen“, berichtet Tjorve.
Im Gegensatz zu anderen Sportlern, die beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gemeldet sind und für ihre Aktivitäten neben dem Studium freigestellt werden können, gibt es diese Regelung für Fußballer bzw. sämtliche angehende Profis in Ballsportarten, nicht. Für den Kapitän der U23 besteht dahingehend Nachholbedarf. Sportstudenten, die so nah am Profisport sind, dürfe eine solche Möglichkeit nicht verwehrt werden. Sie trainieren Tag ein, Tag aus, die Wochenenden sind grundsätzlich verplant. Wenn die Nachwuchsspieler an den Samstagen keine Trainingseinheiten absolvieren, befinden sie sich auf dem Weg durch Norddeutschland, um am Sonntagnachmittag das Spiel zu bestreiten. Für die Spieler der Regionalliga-Mannschaft Holsteins stelle dies zwar eine hohe Belastung dar, funktioniere momentan neben dem Studium jedoch sehr gut, beschreibt Tjorve die Situation. Mit dem Blick in Richtung Profigeschäft sollten sich Studenten jedoch darauf einstellen, das Studium nicht der vorgesehenen Zeit zu beenden. „Im Fußball kann viel passieren, wie eine Verletzung, die das Ende der Karriere bedeutet, bevor sie angefangen hat“, sagt Felix. „Auf diesen Fall möchte ich vorbereitet sein“.
Text und Fotos: Sebastian Schulten