Mojib Latif

Kaum ein anderer Wissenschaftler ist so bekannt für die Erforschung des Klimawandels wie er: Prof. Dr. Mojib Latif. Durch seine Fähigkeit, komplexe wissenschaftliche Entwicklungen verständlich zu erklären, ist er ein beliebter Gast in zahlreichen Fernsehsendungen und Talk-Runden. Wir haben uns mit dem Professor in seiner langjährigen Wirkungsstätte, dem GEOMAR an der Kiellinie unterhalten.

Was hat Sie dazu gebracht, sich mit dem Klimawandel zu beschäftigen?
Prof. Dr. Mojib Latif: Das kam durch meine Ausbildung: Ich habe Meteorologie studiert und später dann auch in Ozeanographie, also Meereskunde, promoviert. Das sind zwei wichtige Komponenten des Klimasystems und von da war es nur noch ein kleiner Schritt in die Klimaforschung. Meine Doktorarbeit habe ich dann am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg gemacht, einem der renommiertesten Klimaforschungsinstitute, und war dort auch knapp 20 Jahre beschäftigt, bevor ich 2003 nach Kiel gekommen bin.

Warum haben Sie sich gerade für Kiel entschieden? Welche Bedeutung hat das GEOMAR für die Meeresforschung?
Das GEOMAR ist ein weltweit angesehenes Institut. Hier forschen und lehren um die 40 Professorinnen und Professoren und das sind alles hochkarätige Leute. Das hat mich dazu bewogen, nach Kiel zu gehen, denn so viel geballte Expertise auf einem Fleck findet man selten. Ich habe es auch nie bereut: Ich kann noch sehr viel lernen von meinen Kolleginnen und Kollegen.

Warum ist es gerade jetzt so wichtig, sich mit Meeresforschung zu beschäftigen und sich für den Meeresschutz zu engagieren?
Die Auswirkungen des Klimawandels beispielsweise werden immer offensichtlicher. Die Ozeane nehmen riesige Wärmemengen auf. Das stresst die Ökosysteme. Ein Beispiel ist die tropische Koralle. Es kann durchaus in den nächsten Jahrzehnten passieren, dass es für die Korallen zu warm wird und sie nicht überleben können. Im schlimmsten Fall kann es sein, dass bis zur Mitte des Jahrhunderts alle tropischen Korallen tot sind. Das wäre Wahnsinn! Das sind Orte der Artenvielfalt und das hätte dann auch Auswirkungen auf Fische und andere Lebewesen. Zum anderen werden die Ozeane durch die CO2-Aufnahme geschädigt, die zu deren Versauerung führt. Auch die Verschmutzung, Stichwort Plastik, wird immer extremer. Wir wollen ja nicht, dass die Meere irgendwann als stinkende Kloake enden. Die zunehmende Sauerstoffarmut in Folge des Klimawandels ist ein weiteres Problem. Wir greifen die Meere von vielen Seiten an und niemand kann sagen, ob das gut gehen wird oder nicht. Viele Dinge passieren gleichzeitig, wir sprechen hier von multiplen Stressfaktoren. Wie genau ein Organismus oder ganze Ökosysteme darauf reagieren, kann niemand sagen.

Ist es denn mittlerweile auch „politischer“ geworden, etwas in dieser Richtung zu studieren?
Auf jeden Fall. Wir müssen einfach sehen, dass wir endlich etwas erreichen. Da ist natürlich auch die Politik gefragt, ohne Verbote wird es nicht gehen. Man müsste z. B. bestimmte Plastikprodukte verbieten. Es ist zwar schade, dass es ohne Verbot nicht funktioniert, aber ich sehe keine andere Möglichkeit.

Es gibt mittlerweile ja auch eine richtige Gegenbewegung von Klimawandel-Skeptikern…
Ja, die postfaktischen Zeiten sind zu einem Problem in allen Bereichen geworden. Durch das Internet und die sozialen Medien ist es sehr einfach geworden, Verschwörungstheorien unter die Leute zu bringen. Umso wichtiger ist es, mit Fakten dagegen zu halten.

Noch einmal zurück zum Thema Kiel: Es gibt ja schon durchaus positive Entwicklungen, aber trotzdem machen hier jährlich über 160 Kreuzfahrtschiffe fest. Was halten Sie davon?
Die Kreuzfahrtschiffe werden auch weiterhin hier festmachen. Wir benötigen andere Antriebe. Einen Anfang macht das neue Schiff von AIDA. Flüssiggas ist zwar besser als Diesel, aber es ist auch ein fossiler Brennstoff und trägt als solcher auch zur Erderwärmung bei. Insofern müssen wir zusehen, dass wir langfristig Antriebe entwickeln, die so gut wie keinen Ausstoß haben, wie beispielsweise die Brennstoffzelle.

Was würden Sie Studierenden bzw. Interessierten raten, die sich für den Meeresschutz engagieren wollen?
Es gibt viele verschiedene Ebenen, auf denen man sich engagieren kann. Beispielsweise politisch, in verschiedenen Parteien oder Initiativen. Man kann sich auch dadurch engagieren, dass man etwas in die Richtung studiert. Oder versuchen, so wenig Müll wie möglich zu produzieren oder weniger Treibhausgase zu verursachen. Also weniger Autofahren, mehr Fahrradfahren. Weniger Fleisch essen und vieles mehr. Aber ich denke, das machen schon viele.

Das Interview führte Sophia Sichtermann



Das GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel gliedert sich in vier Bereiche:

  1. Ozeanzirkulation und Klimadynamik: Hier wird unter anderem die Rolle des Ozeans auf
    den Klimawandel erforscht.
  2. Marine Biogeochemie: Die Wechselwirkung von ozeanischen, atmosphärischen und organischen Aspekten steht hier im
    Mittelpunkt
  3. Marine Ökologie: Dieser Bereich beschäftigt sich mit allem, was im Meer lebt.
  4. Dynamik des Ozeanbodens:
    Hier wird untersucht, was mit der festen Erde zu tun hat, wie geologische Aspekte und Plattentektonik. Ebenso auch Naturgefahren wie Erdbeben oder Tsunamis.
    Foto: Sophia Sichtermannüber das geomar: